Christuswege

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Haupttext Teil 1, Die Schritte in den Evangelien;
Kapitel :

Die Stille in der Wüste.

Am Anfang des Wirkens als Christus* – griechisch, bzw. Messias – hebräisch „Der Gesalbte" – steht er allein. Dazu gehören die Taufe und die 40 Tage in der Wüste - z.B. Markus 1,12-13 - mit den Versuchungen. Im Anschluss daran findet die Berufung der Jünger statt.

Die Wüste steht äußerlich und innerlich für eine Abgeschiedenheit, die es umso mehr ermöglicht, sich bewusster zu werden und sich stärker mit dem letztlich allumfassenden Gott zu verbinden. Diese Vorbereitung für alles Weitere ist für jeden ernsthaften Weg der Religion, der erneuerten Verbindung mit dem göttlichen Urgrund unentbehrlich, auch wenn sie keineswegs das Ganze des Weges ist. Auch Jesus durchläuft auf seiner Ebene des Erlebens eine solche Phase, die mehr ist als ebenfalls mögliche z.B. tägliche Besinnungszeiten.

Die Kirchen, selbst diejenigen, die oft von „Innerlichkeit" sprechen – und dies z.B. als Scheingegensatz zu äußeren Friedensdemonstrationen aufstellten – machen sich kaum eine Mühe, den Menschen wirklich einen praktizierbaren Weg zu diesem „Inneren Frieden" usw. zu zeigen. In den Gottesdiensten aller über 30 verschiedenen Kirchen konnte nirgends das Element der Stille, des auch innerlich stillen Auf-sich-Hinschauens, des stillen Abwartens nach dem Gebet auch nur entfernt ausreichend berücksichtigt gefunden werden. Gesang, Predigt, Gebete, Gesang, möglichst mit gleichzeitigem ablenkenden Geldsammeln fast ohne Pause – es ist fast ein Abbild der Hektik in der heutigen Gesellschaft, durch die die Menschen sich unbewusst oder auch bewusst von ihrem unerforschten Inneren ablenken. Erst in jüngster Zeit, angesichts der Suche vieler Menschen nach – fast gleich welchen – Erfahrungen, gibt es hier kleine Fortschritte, dass z.B. wenigstens für einige Interessierte entsprechend anders gestaltete Wochenendseminare oder Vergleichbares stattfinden oder auf entsprechende Fragen auf Möglichkeiten in Bibelkreisen oder zu Hause verwiesen wird. Aber auch da fehlt oft die direkte Anleitung. Dabei könnten die Einen erkennen, dass eine größere Nähe zu Gott auch des „Stillen Kämmerleins" bedarf, und die Anderen, dass ihre gesellschaftlichen Werte wie Selbstkritikfähigkeit, Toleranz- bzw. Friedensfähigkeit ebenfalls als Ausgangspunkt das wirksame zeitweise Abschalten der äußeren Betriebsamkeit voraussetzen. Natürlich würde es kaum genügen, wenn es hin und wieder im Gottesdienst geschieht, aber es könnte eine Anregung sein, es als im Grunde häufiges, verdrängtes Bedürfnis zu erkennen.

Der Mystiker Jakob Lorber schrieb von einem Rat Christi an die Menschen zum „kurzen Weg zur Wiedergeburt", was heute – um Missverständnisse zu vermeiden – als „Neugeburt" bezeichnet werden kann, wie dies im vorausgegangenen Artikel beschrieben wurde. Siehe auch „Vom inneren Wort, Stimme der Stille" aus dem Lorber Verlag:

Die Praxis ist diese: So weit jemand von Christus wiedergeboren sein will, so weit müsse er seine Sünden -  also alles von Gott Trennende, erkennen. Das ist etwas anderes, als sie sich einreden lassen. Dann müsse er sie innerlich und äußerlich tief empfindend bereuen und sich ernsthaft eine Umkehr vornehmen. Weiterhin müsse er sich vornehmen, mit der Welt - gemeint sind ihre egoistischen Verstrickungen, nicht das aktive Leben darin -, ganz zu brechen, „und sich ganz Mir übergeben und in seiner Liebe eine große Sehnsucht haben nach Mir, und muss in dieser großen Sehnsucht tagtäglich sich von der Welt und den Geschäften in ihr zurückziehen und wenigstens sieben Viertelstunden lang bei verschlossenen Türen und Fenstern weder beten noch etwas lesen, sondern er muss diese Zeit in der völligen Ruhe bloß nur sich in seinem Innersten mit Mir beschäftigend zubringen". Nach einer entsprechenden einladenden Anrede „begebet euch zur Ruhe und wachset in der Sehnsucht und Liebe zu Mir! So ihr das nur eine kurze Zeit üben werdet, so sage ich, ihr werdet bald blitzen sehen, und donnern hören, aber dann erschreckt nicht und werdet auch nicht ängstlich! Denn nun komme Ich zu jedem erst als Richter in Sturm, Blitz und Donner, und hernach erst in sanftem heiligen Wehen als Vater!... Sehet, das ist der kürzeste und wirksamste Weg zur reinen Wiedergeburt, in welcher allein das ewige Leben zu gewinnen ist. Jeder andere Weg dauert länger und ist unsicherer, da es sehr viele Diebeswege gibt,... wer da nicht ‚wohl gepanzert‘ und ‚kreuz und quer bewaffnet‘ ist, der wird hart (kaum) ans Ziel gelangen."
Es ist möglich, ihn um eine Reinigung und Durchlichtung durch seinen Geist zu bitten.

Vgl. auch unsere Auszüge aus einer Anleitung des christlichen Mystikers Jakob Böhme.

S.a. Teresa von Ávila "Die Seelenburg"

Yogis z.B. wissen, dass die Menschen meinen, „keine Zeit zu haben". Sie pflegen dann ihre Anweisungen entsprechend von einigen Stunden über eine halbe Stunde bis auf 11 Minuten herunterzuschrauben, d.h. bis niemand mehr sagen kann, dafür habe er keine Zeit. Auch eine kürzeste Zeit der Stille, wobei andere Gedanken, Gefühle und Empfindungen nicht verdrängt aber nur beobachtet werden, ohne darauf einzusteigen, hat ihre Wirkung, besonders wenn sie mit einer Ausrichtung auf Gott verbunden wird. Sie ersetzt aber nicht längere Stille. In der Ostkirche – etwa auf Berg Athos – wird als Konzentrationshilfe das „Kyrie (Einatmung) eleison (Ausatmung), d.h. Herr erbarme dich" verwendet. Vgl. z.B. Kreichauf: Als Pilger auf dem Berg Athos. In der weiteren Entwicklung kann dies dann ohne gesprochene Worte im Kehlkopfbereich gefühlt werden. Noch später kann es mit Hilfe des Atemanhaltens in den Herzbereich aufgenommen werden... .

Eine starke Herausforderung ist es auch, z.B. in einem strengen ca. sechstägigen Zen-Sesshin – eine Zen-Sitzmeditation, die sich auch in christlichen Klöstern etwas verbreitet hat – ständig zu schweigen, auch außerhalb der Meditationszeiten, beim Essen mit Anderen. Nach regelmäßig ca. drei Tagen halten es viele damit Unerfahrene kaum noch aus, um am vierten Tag – vergleichbar mit der Wirkung des Fastens – aufzuatmen und den Nutzen zu verstehen, der durch Worte immer nur unzureichend beschrieben werden kann.

Stille schafft Offenheit. Ein Bezug auf Gott dabei schafft auch einen Schutz für diese Offenheit. Nach einer Meditation ist wieder ein Sich-Einstellen auf nachfolgende, u.U. weniger Offenheit nahelegende Umstände zweckmäßig.

Wichtig wäre es allerdings, auch in die Welt etwas von der Stille hineinzutragen, um immer stärker eine gewisse Bewusstseinsklarheit aufrechterhalten zu lernen. Das würde zunächst für die Einzelnen bedeuten, in gefühlsmäßig zustande gekommenen Abständen, bzw. nach komplizierten Erlebnissen, oder eben sobald es danach möglich ist, einen Moment ordnende, sammelnde innere Ruhe einkehren zu lassen; d.h. Inhalte durchaus mit hineinzunehmen, ohne zunächst daran weiterzudenken; Gefühle zur Ruhe kommen lassen (und später davon weiter zu Untersuchendes zu notieren), und auch die Körperteile einer Reihenfolge nach sich entspannen zu lassen; jedoch unter Beibehaltung des Bewusstseins als ganzer Mensch, nicht im Sinne eines Sich Hineinsteigerns in einzelne Wohlgefühle.

Für Treffen, Arbeit, Tagungen u.a. würde derselbe Gesichtspunkt bedeuten, nicht auf ermüdende Art Thema an Thema zu reihen, sondern zumindest kurze Pausen dazwischen einzulegen, die auch nicht wiederum allein zu Gesprächen usw. dienen sollten, sondern in erster Linie, um Geschehenes einfach betrachten, soweit angebracht und möglich auch verarbeiten zu können, und sich jedenfalls bewusst auf ein anderes Thema einstellen zu können. Ähnlich ist es bei der Ernährung zweckmäßig, die einzelnen Speisen noch bewusst wahrzunehmen. Es können viele Zusammenhänge zwischen ernährungswissenschaftlichen Gesichtspunkten und seelischer bzw. geistiger „Ernährung" gefunden werden.

Der Vorgang, der „ Zur-Ruhe-kommen-lassen-von-Geschehenem" genannt werden kann, und der wieder Kraft für die Gegenwart und Zukunft wachsen lässt, ist also kein inhaltsloses Abheben von den Problemen. Er schafft einen Ausgangspunkt, von dem aus eine Bearbeitung von Allem eigentlich erst fruchtbar wird. Auch bei äußeren Angelegenheiten geht dadurch nicht etwa Zeit verloren, sondern es wird letztendlich Zeit gespart, weil alles leichter und besser vonstatten geht. Viele selbst spirituell denkende Menschen bemerken bisher kaum, was ihnen alles entgeht, ohne diese innere Ruhe.

Allein diese einfachste spirituelle Erfahrung, die Stille, birgt im Grunde schon Geheimnisse größter spiritueller Höhen in sich. Diese Höhe setzt aber einen Weg zu ihr voraus. Gerade Christus betont zunächst die oft zuerst freizulegende Einfachkeit des Menschen, sein Weg führt dann in immer größere und damit kompliziertere Horizonte hinein, und in dieser Kompliziertheit leuchtet dann erneut die grundlegende Einfachkeit auf.

Z.B. kann sich in der konzentrierten Stille ein gerade erarbeiteter bzw. geschenkter innerer Fortschritt tiefer verankern, im Sinne einer Fähigkeit, die nicht „von Motten zerfressen" werden kann, s. z.B. Matthäus 4. Sie kann sich dem Mosaik anderer Fortschritte des Seins richtig einfügen. Die Stille kann soweit gehen, dass das „Leben" der Gesamtheit dessen, was in uns dem göttlichen Urbild entgegenwachsen durfte, spürbar wird. Das ist eine Art, das „von Gott von neuem Geborene" in uns zu erleben. Einen Hauch von dieser Möglichkeit haben wir, wenn bei der bewussten Ruhe der Kopf freier – vielleicht verbunden mit einer Erkenntnis –, die Kräfte des Herzens wahrnehmbarer und die Füße entspannter werden. Dann ist etwas „durch", um welchen kleinsten Teilaspekt des Lebens es sich immer handeln mag. Ohne dies ist andererseits nichts „durch", bleibt Wesentliches unverarbeitet „stecken"; dies kann nicht nur Probleme im Traum verursachen – die dort nur beschränkt verarbeitet werden können –, sondern auch Probleme gesundheitlicher oder anderer Art.  

* Zum Namen Jesus und dem Titel Christus

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