Christuswege

Logo: gezeichnetes christliches Kreuz und Erdsymbol

Teil 3  Verschiedene Themen; praktische und biblische Fragen.

Auszüge* aus Jakob Böhme (1575-1624)
De Poenetentia - Von wahrer Buße

und eine Zusammenfassung der Stufen des kontemplativen Lebens
 nach Meister Eckehart (1260-1327).

Jakob Böhme "Von wahrer Buße":
In dieser Schrift hat der bekannte Mystiker aus dem evangelischen Bereich am kürzesten den Weg christlicher Mystik zusammengefasst, wie er ihn selbst gegangen ist:

"Welcher Mensch zu göttlicher Beschaulichkeit (Anschauung Gottes) in sich selbst gelangen  und in Christo mit Gott reden will, der folge diesem Prozess, so kommt er dazu.

1. Er soll alle seine Sinne und Vernunft samt aller Einbildung(skraft) zusammen in einen Sinn raffen, und eine solche starke Imagination fassen, sich selber zu betrachten, was er sei, indem ihn die Schrift Gottes Bild (Gen.1:27), ja einen Tempel des Heiligen Geistes (I. Kor. 6:19) nennt - der in ihm wohnt, und ihn Christi Gliedmaß nennt, und ihm Christi Fleisch und Blut zu einer Speise anbietet.

2. So soll er sich in seinem Leben beschauen, ob er auch dieser großen Gnade würdig und dieses hohen Titels Christi fähig sei, und sein ganzes Leben betrachten, was er getan, und wie er seine ganze Zeit zugebracht habe. Ob er sich auch in Christus befinde. Ob er auch in göttlichem Willen stehe, oder wozu er geneigt sei. Ob er auch einigen Willen in sich finde, der sich herzlich nach Gott sehne, und gerne selig sein wollte.

3. Und wenn er nun einen tief verborgenen Willen in sich findet, der sich gerne zu Gottes Gnade wenden wollte, wenn er nur könnte. So wisse er, dass derselbe Wille das eingeleibte und im Paradies nach begangener Sünde eingesprochene Wort Gottes sei, dass ihn danach Gott Jehova als der Vater zu Christus zieht. Denn in unserer Eigenheit haben wir keinen Willen mehr zum Gehorsam.

4. Derselbe Zug des Vaters als die eingeleibte, eingesprochene Gnade zieht alle Menschen, auch den allergottlosesten von seiner falschen Wirkung(sweise) - wenn er nicht eine Distel ist und im Zuge einen Augenblick stillstehen will. 

(...)

6. Derselbe spare es keinen Augenblick mehr, wie geschrieben steht: 'heute, wenn ihr des Herrn Stimme höret, so verstocket eure Ohren und Herzen nicht (Hebr. 3:7).

7. Denn die Begierde zur Einmal-Bekehrung ist Gottes Stimme im Menschen - welche der Teufel mit seinen eingeführten Bildern verdeckt und aufhält, dass es von einem Tage und Jahr zum andern aufgeschoben wird, bis endlich die Seele zur Distel wird und die Gnade nicht mehr erreichen kann.

8. Der Mensch tue nur dies in seiner sinnlichen Betrachtung, und sehe seinen ganzen (Lebens)Lauf an und halte ihn gegen(über) den zehn Geboten Gottes und der Liebe des Evangeliums - das ihm gebietet, seinen Nächsten zu lieben wie sich selber, und dass er allein in Christi Liebe ein Gnadenkind sei, und sehe, wie weit er davon abgekommen sei, und was seine tägliche Übung und Begierde sei. So wird ihn dieser Zug des Vaters in Gottes Gerechtigkeit einführen und die eingemodelten Bilder in seinem Herzen zeigen, die er für Gott geliebt und für seinen besten Schatz gehalten hat und noch hält.

9. Diese Bilder werden sein: Hoffart, sich selber zu lieben und von andern geehrt sein zu wollen.
Ebenso wird es ein Bild einer Sau sein, nämlich der Geiz, der alles für sich allein haben will. Und hätte er die Welt und den Himmel, so will er auch die Hölle beherrschen - welcher mehr begehrt als er zu seinem zeitlichen Leben bedarf, und keinen Glauben in sich zu Gott hat, (...).
Desgleichen wird in ihm ein Bild des Neides sein, das in andere Herzen sticht, und es ihnen nicht gönnt, falls sie mehr zeitliches Gutes und Ehren haben als er.
Auch wird es der Zorn sein, in dem sich der Neid als ein Gift erhebt, und um geringer Ursache willen stoßen, schlagen, zürnen und sich rechtfertigen will.
Desgleichen werden ein Haufen, ja viele hundert irdische Tiere in ihm sein, die er liebt. Denn alles, was in der Welt ist, das liebt er und hat es an Christi Stelle gesetzt und ehrt es mehr als Gott. Sehe er nur seine Worte an, wie sein Mund andere Menschen heimlich verleumdet, und übel bei den Seinigen ausrichtet, und oft ohne bestimmten Grund übel nachredet; sich über des Nächsten Unglück freut und ihm dasselbe gönnt, welches alles Klauen und Krallen des Teufels sind und das Bild der Schlange, das er in sich trägt.

(...)

12. (...) dass er jetzt vor Gottes Angesicht der besudelte Sauhirte sei ... der seines Vaters Erbe mit der Welt tierischer Bilder verhurt habe (der verlorene Sohn von Lukas 15), (...) und sei Gottes Gnade nicht wert; (noch) viel weniger, dass er Gottes Kind genannt werde(n könnte). (...). Ohne Gott ist's unmöglich, Gott zu gefallen, sagt die Schrift. (Hebr. 11:6)

(...)

14. (...) soll er sich aber fest einprägen, dass Christus sagte: er wäre gekommen, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist, den armen an Gott toten und blinden Sünder. (...) und mache sich einen solchen strengen Vorsatz, dass er von der verheißenen Gnade nicht abgehen würde (...).

15. Auch nehme er sich vor (...) dass er nicht mehr in die alten tierischen Bilder und Laster (hin)eingehen will, auch wenn alle seine 'Säue' und 'Tiere' um ihren Hirten trauern, und er darum auch aller Welt Narr wäre (...).  Er richte nur seinen Vorsatz in stetes Gebet und Seufzen zu Gott, und ergebe ihm alle seine Anfänge und Tun in seiner Hände Werk, und sei von der Einbildung des Geizes, Neides und der Hoffart stille. Er übergebe nur diese drei Tiere, so werden die andern bald auch beginnen, schwach und krank zu werden, und sich zum Sterben neigen. Denn Christus wird bald in seinen verheißenen Worten, welche er dem Menschen ein-bildet und sich darin hüllt, eine Gestalt zum Leben bekommen, und wird in ihm beginnen zu wirken - darin wird sein Gebet kräftiger werden, und wird je länger je mehr im Geiste der Gnade gestärkt werden.

16. (...) In kurzer Frist wird die 'Hochzeit des Lammes' bereitet, da Jungfrau Sophia (die "Weisheit" des AT) als die würdige Menschheit Christi mit der Seele vermählt wird. Und was da geschehe und was für Freuden da sein werden, das deutet Christus an mit der großen Freude über den bekehrten Sünder, welche im Himmel (...) vor allen heiligen Engeln gehalten werden, vor neunundneunzig Gerechten, die der Buße nicht bedürfen (Luk. 15:7).

17. Dazu haben wir weder Feder noch Worte zu schreiben oder zu reden, was die süße Gnade Gottes in Christi Menschheit sei, und was denen widerfahre, welche würdig zu der Hochzeit des Lammes kommen, welche wir in unserem eigenen Prozess selber erfahren haben, und wissen, dass wir unseres Schreibens wahren Grund haben. Welchen wir unseren Brüdern in der Liebe Christi herzlich gerne mitteilen wollten. Wenn es möglich wäre, dass sie unserem treuen kindlichen Rat glauben wollte, sie würdens in sich selber erfahren, wodurch diese einfältige Hand die großen Geheimnisse verstehe und wisse.

18. (...) Und vermahnen ihn christlich, uns nachzufahren in diesem Prozess, so wird er zu göttlicher Beschaulichkeit (Anschauung Gottes) im Innern kommen, und hören, was der Herr durch Christus sagt. Und empfehlen ihn hiermit der Liebe Christi.

* Enthalten in "Christosophia". Hier etwas an unseren heutigen Sprachgebrauch angepasst, soweit dies ging, ohne ganz andere Begriffe zu verwenden - damit der Sinn nicht angetastet wird. An einigen Stellen ist in Klammern ein neuerer Begriff zur Erläuterung hinzugefügt. Zu den kompletten Texten siehe unsere ergänzenden Literaturhinweise.

Wer immer durch eine unsachkundige Literatur Vorurteile über die christliche Mystik als angebliche "heidnische Selbsterlösungslehren" oder dergleichen im Kopf hatte, müsste nach dem Studium des obigen Texts einsehen, dass die Wirklichkeit ganz anders ist. Das stimmt eindeutig mit dem Kern jeder ernstzunehmenden biblischen, christlichen Lehre überein, der Unvollkommenheit und Erlösungsbedürftigkeit des Menschen. Nur wurde bzw. wird hier eben die biblische "Nachfolge Christi" ernsthafter und wirksamer beschritten, als dies in einem oberflächlich gewordenen Christentum der Fall ist. Aus dieser intensiven Erfahrung heraus und in der Sprache der damaligen Zeit wurden Anregungen gegeben, die auch für uns noch fruchtbar sein können.

Die sieben Stufen des kontemplativen Lebens nach Meister Ekkehart:
1. Wer sich im 'schauenden Leben' üben will, der suche eine abgeschiedene, stille Stätte, gedenke als erstes, wie edel seine Seele ist, dass sie unmittelbar aus Gott geflossen ist. Diese Betrachtung setze man fort, bis man in eine große Freude gerät. 

2. ... als zweites dessen gedenken, wie Gott seine Seele geliebt hat, dass er sie geschaffen hat nach dem Bilde Gottes ("der Dreifaltigkeit"), so dass sie alles, was Gott non Natur ist, durch seine Gnade sein kann. ... bei dieser Betrachtung muss der Mensch notwendig in eine noch größere Freude geraten...

3. Als drittes soll der Mensch dessen gedenken, wie er ewig(lich) von Gott geliebt ist; ... ganz so, wie Gott ("die Dreifaltigkeit") ewig(lich) gewesen ist...

4. Als viertes soll der Mensch gedenken, wie ihn Gott ewig(lich) dazu berufen hat, dass er dasselbe genieße mit Gott, was Gott ewig(lich) genossen hat und immerfort genießt: und das ist - Gott selbst.

5. Danach soll der Mensch sich gänzlich in sich selbst versenken, und Gott in sich erkennen, und das geschieht in dieser Weise, dass er sich bewusst wird, dass Wesen (Anmerkung: Sein, Leben der Seele) nicht sein kann ohne Wesen, und menschliches Wesen genährt wird mit göttlichem Wesen. Kein Wesen kann genährt werden von der Speise, ehe nicht die Speise verwandelt wird zum Wesen dessen, der genährt wird. Das muss geschehen von einem Wesen, das selber Wesen ist. Nun ist kein Ding, das an sich selber Wesen ist, als Gott. Darum kann meine Seele von keinem Dinge genährt werden als nur von Gott. ... will er, dass ich Wesen habe, so muss er sich selber mir geben.

6. Hiernach soll die Seele sich selber in Gott erkennen, und das geschieht auf diese Weise: All das, was in Gott ist, das ist Gott (Anm.: bzw. gehört zu Gott). Da nun mein Bild ewig(lich) in Gott gewesen ist, wie es noch in ihm ist und immer sein wird, so ist darum meine Seele ewig(lich) eins gewesen mit Gott und ist Gott (Anm.: bzw. aus Gott). ...

7. Als letztes soll der Mensch Gott erkennen in sich selber, wie er ohne Anfang ist, und aus dem alle Dinge geflossen sind. Diese Erkenntnis aber kann in diesem Leben keinem ganz werden, es sei denn der Beschauende nehme göttliches Wesen an, was hier keinem ganz möglich ist. 

Hier zeigt sich ein etwas anderer Zugang zu Gott, der gleich die mystische Erfahrung der Gottesnähe der Seele weitergibt und zum Ausgangspunkt für Suchende nimmt. Die auch auf diesem Weg nötige Wandlung des Menschen geschieht hier direkt aus dem Positivsten heraus, was er in sich hat. dass die Ausdrucksweisen in 6. nicht bedeuten, dass die Seele mit Gott "gleichgesetzt" wird, zeigt sich u.a. in 7. dass Gott im Menschen immer mehr Gestalt annehmen kann, ist eine unter denjenigen Christen, die der Mystik ferner stehen, gebräuchliche und anerkannte Ausdrucksweise desselben Zusammenhangs. Es muss bei den Ausdrucksweisen der Mystik immer bedacht werden, dass sie der realen Erfahrung der Gottesnähe entspringen, und somit Zusammenhänge beleuchten, die dem reinen Intellekt gar nicht zugänglich sind - bzw. die der reine Intellekt missverstehen würde, wenn er sich nicht auf die gleichnisartigen Bilder dieser Sprache und wenigstens anfängliche Erfahrungen damit einlässt. Der Intellekt möchte alles gerne in irgendwelche bekannte Rubriken einordnen, und neigt dann dazu, mit dieser Einordnung schon zufrieden zu sein. Den Mystiker interessieren diese Rubriken aber meist gar nicht, sondern er erfährt oder erforscht seelisch-geistige Realitäten auf dem Weg zu immer größerer Gottesnähe. Das ist Neuland und erfordert daher ungewohnte Ausdrucksweisen. Will der Intellekt da noch mitkommen, muss er sich als dienendes (statt herrschendes) Instrument begreifen lernen, das sich der Ebene dieser Betrachtungen oder Forschungen anpassen muss, statt umgekehrt zu erwarten, dass sich Alles in alte theologische Denkweisen fügen müsse, die ohne solche Erfahrungen zu Stande gekommen sind. 

 

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