Christuswege

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Haupttext Teil 1, Die Schritte in den Evangelien;
Kapitel :

Die Hochzeit in Kana.

Zeichnung: Jesus auf der Hochzeit in Kana

Hier - Joh. 2, 1-12 - stoßen wir zunächst auf ein Beispiel, das illustriert, wie Probleme weniger aus falschen Übersetzungen, oder aus den frühen, kirchlich beauftragten „Korrekturen" der Evangelien, sondern schlicht aus einseitig emotional und patriarchalisch getönten Auslegungen herrühren. Dass Jesus zu Maria sagte „Weib, was habe ich mit Dir zu schaffen", wurde später als abfällig gewertet. Wer sich in den Text hineinversetzt, und dann auch sieht, wie Jesus anschließend alles tut, was von Maria gewollt war, kann leicht feststellen, dass der Satz eher bewundernden Charakter hat, der deutlicher so ausgedrückt werden könnte: „Frau, was habe ich mit dir alles zu schaffen!" Der nicht überlieferte ursprüngliche Ausdruck in der z.T. recht einfachen aramäischen Sprache kann vom Griechischen her gesehen nur so geheißen haben: „Weib, ich mit dir" – ohne Einfühlung in den Zusammenhang war also schon zur Zeit Jesu der genaue Sinn vielfach nicht erkennbar.

Von hier bis zum Kreuz zeigt sich ein schöpferischer Erlebenszusammenhang zwischen Jesus und Maria. Sie wirkt inspirierend, erlebt die wesentlichen Stationen seines Lebens mit und erfährt so auch eine seelische Verwandlung.

Wird in der Neuzeit der Begriff „Braut Christi" für Ordensschwestern oft nur noch in einer äußeren Bedeutung genommen, so wies er ursprünglich auf eine reale Erlebensart hin.

Die „Gestalt" Christi im Menschen, wie sie schon im Kap. über die Jordantaufe erwähnt wurde, verschmilzt mit dem männlichen Aspekt der Seele (Animus**). Er kann eine „innere Hochzeit" mit unseren „weiblichen" Seelenanteilen unter göttlichem Vorzeichen eingehen. Auch bis in die Lebenskräfte und den Körper hinein kann dies alchemistisch verwandelnd wirken. Das Bild der Maria könnte sich in verwandter Weise mit dem weiblichen Aspekt der Seele (Anima**) berühren.

Für Männer lag denn auch zuweilen ein Weg über Maria, die Mutter Jesu - bzw. über die Marien nahe, also evtl. auch Maria von Bethanien oder Maria Magdalena. Es können aber beide Geschlechter den Weg über Jesus, oder über Maria, oder über beide gehen, denn von der Seele bis zu den Hormonen gibt es keinen Menschen, der vollständig an Reaktionsmuster des eigenen Geschlechts gebunden wäre oder bleiben müsste. Es gibt jedoch Menschen, die zum einen oder anderen Weg einen besseren Zugang finden. Am Ende allerdings wird sich die innere Ganzheit ankündigen. In der katholischen Kirche gab es die heute fast vergessene Praxis der Verehrung des Herzens Jesu und des reinen Herzens von Maria. Diese innere Entfaltung fragt nicht danach, dass z.B. der Verfasser dieses Kapitels kein Katholik ist, also äußerlich zunächst wenig von Maria mitbekam, dafür aber auch nicht die Vorurteile bekam, die sich der äußerliche Marienkult bei vielen ihn Praktizierenden zuzog.

Erst wer einen derartigen verwandelnden Weg geht, könnte ohne Verdrängung einen Weg „alleine" gehen. Aber auch für ihn/sie muss das nicht ein Weg alleine sein; aus größerer innerer Freiheit heraus wäre eine Beziehung zum anderen Geschlecht möglich, sogar vollkommener möglich.

In diesem Zusammenhang wollen auch die von Vater und Mutter mitbekommenen Seelenanteile in die Persönlichkeit integriert werden.

Tiefenpsychologische Elemente können durchaus mit religiösem Erleben in Beziehung gesetzt werden. In anderer Art versucht dies Eugen Drewermann. Religiöse Grunderfahrungen dürften sich jedoch bei genauerer Betrachtung auf einer gesonderten Ebene zeigen, aus der heraus sie in tiefenpsychologische Prozesse hineinwirken. Es gibt heute Tendenzen, religiöse Suche als einen im Grunde allen Menschen eigenen „ganzheitlichen, Sinn suchenden und grenzüberschreitenden Vitalimpuls" zu sehen, s. Hubertus Mynarek: „Möglichkeit oder Grenze der Freiheit", 1977. Es müsste aber differenziert werden nach einem unausgeformten allgemein spirituellen Impuls, und einem religiösen Impuls im engeren Sinn der Re-ligio, der Rück- bzw. Neuverbindung des Menschen mit dem göttlichen Urgrund, dem „Vater", was für glaubende überzeugte Christen durch Verbindung mit Christus möglich ist.

Gott, als das größte Geheimnis der Welt, kann sicherlich weniger durch Beschränkung auf eine einzige Wissenschaft, Erlebensart oder ein einziges Phänomen ergründet werden, die bestenfalls Einzelaspekte zutage fördern; sondern durch den Versuch, mehrere Ansätze anzuerkennen und zusammenzuschauen. Das ist bisher nur in sehr geringem Maße geschehen. Würde der angesprochene alchemistische Prozess, und damit u.a. auch die gemeinsame Benutzung der linken und rechten Hirnhälfte (wonach heute mit vielen Methoden gesucht wird) auch von Christen auf ihre Weise durchschritten, mit dem Ergebnis „kreativer liebender Erkenntnis", würden die Gefechte zwischen den Theologien bald der Vergangenheit angehören. Auch dann wäre Spezialisierung auf einzelne Aspekte möglich, aber sie würde als solche erkannt werden, und keine ausschließliche Gültigkeit mehr beanspruchen. Die Ergänzung der Menschen untereinander käme zu ihrem Recht.

Wer indessen im Sinne des universellen Grundsatzes Jesu „Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst" fühlen könnte, könnte im Laufe der Zeit auch alleine dadurch dasselbe und mehr erreichen. Wer sich um diese gleichzeitige Liebe zu sich selbst und zum Nächsten bemüht, wird allerdings bemerken, dass genau dies erst gelernt sein will. Das innere „Vollständiger-Werden" kann seinerseits diese Liebe erleichtern.
Die Frage nach den „Wundertaten", die sich auch im Zusammenhang mit der Hochzeit in Kana stellen könnte, wird noch näher beleuchtet in einem speziellen Kapitel.  Betr. die weiblich göttlichen Aspekte von Maria-Sophia  s. später das Kapitel "Das erste Pfingstereignis".

Von der traditionellen Theologie wurde dieses Geschehen als Ablösung des griechischen Dionysos-Kultes ausgelegt, oder als symbolische Anknüpfung an die Begegnung Israels mit Gott ("am 3. Tag...", 2.Mose 19:16), sowie als Vorgriff auf die Passionszeit, wo der Wein eine tiefere Bedeutung annimmt.

**) Die erwähnten Begriffe "Anima und Animus" sind keine Sache des Glaubens. U.a. gibt es die Erfahrung vieler Menschen, ob Christen oder nicht, dass Männer und Frauen jeweils sog. "männliche und "weibliche" Anteile in ihrer Psyche haben, die mindestens teilweise von Vater und Mutter stammen, wo sie aufgewachsen sind; und die sie in ihre Persönlichkeit zu integrieren lernen können. Das Konzept von "Animus und Anima" mag nicht ganz identisch sein mit dieser Realität, aber es ist ein Versuch von Tiefenpsychologen, sie von ihrem Hintergrund her zu verstehen.

Hilfe: zur Selbstprüfung bei der Arbeit mit diesen Haupttexten

Frage:
Kann ich mein Verhältnis zum anderen Geschlecht mit Gott besser gestalten ?

 

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