Christuswege

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Teil 3  Verschiedene Themen; Ethik, Gesellschaft und Philosophie.

Christentum und Philosophie: zu Habermas' Rede "Glaube und Wissen" von 2001*).

- Mit Anmerkung zu weiteren philosophischen Richtungen -

Der Philosoph Prof. Dr. Jürgen Habermas, bisher als unreligiös betrachtet***), erkannte die Wichtigkeit religiöser Vorstellungen auch als Wurzel der Werte und des sozialen Zusammenhalts einer weltlichen Gesellschaft. Die Gottebenbildlichkeit des Menschen, geschaffen mit der Fähigkeit und dem Recht auf Freiheit, könne auch "religiös Unmusikalischen" - wie er sich einschätzt - etwas sagen. Die Welt bleibe angewiesen auf Versöhnung und Vergebung - also auf Werte, die der Religion entstammen. Er bezieht sich auf das "Leiden der unschuldig Misshandelten, Entwürdigten und Ermordeten, das über jedes Maß menschenmöglicher Wiedergutmachung hinausgeht". "Die verlorene Hoffnung auf Auferstehung hinterlässt eine spürbare Leere" (in der säkularen Gesellschaft). 

Bei aufgeklärten Christen findet Habermas gewichtige Vorleistungen, die nun umgekehrt auch weltliche Denker gegenüber diesen Christen zu leisten hätten:
- Das religiöse Bewusstsein müsse die erkenntnismäßig "dissonanten" Begegnungen mit anderen Konfessionen und Religionen verarbeiten.
Anmerkung: Immerhin ist im Abendland eine gewisse Zivilisierung des Umgangs zu verzeichnen, die aber auch begrenzt ist. Gesichtspunkte, die für einen ökumenischen oder interreligiösen Dialog wesentlich sein können, finden sich in unserem Haupttext verstreut, und in einigen Extraseiten, z.B. betr. der Kirchen und betr. Ethik.
- Es musste sich weiter auf die wissenschaftlichen "Autoritäten" einstellen. Unsere Anmerkung: aus Sicht dieser Website ist der wissenschaftliche Mainstream (Mehrheit) oft keineswegs auf dem oft betonten neuesten möglichen Stand, oder wollte diesen aus wirtschaftlichen u.a. Gründen nicht wahrhaben. Diese Form von Autorität ist daher in vielen Fragen zweifelhaft geworden. Auch im wissenschaftlichen Bereich fehlt es an interdisziplinärer Offenheit, und an dem nötigen Pluralismus. Dies gilt auch gerade für wesentliche Fragen, die das Menschenbild berühren, etwa in der Gentechnik (deren Problematik Habermas auch erwähnt); aber auch in den übrigen Naturwissenschaften. Solche unterberücksichtigte neue wissenschaftliche Erkenntnisse werden an mehreren Stellen unseres Haupttextes entlang der Schritte der Evangelien aufgegriffen. Es ist aber richtig, dass ein Dialog zwischen Religion und Wissenschaften notwendig ist. Nur müssen dann unserer Erfahrung nach auch die neueren Strömungen der Naturwissenschaften **) einbezogen werden, d.h. auch "Außenseiterforschung" usw. Außerdem müssen dann vonseiten der Religion auch Erkenntnisse einbezogen werden, die aus der bewussten Verarbeitung religiöser Tiefenerfahrungen stammen, statt bloßer theologischer Denkgebäude. Nur so ist es möglich, nicht aneinander vorbeizureden. Bisherige Dialoge auf der Basis veralteter wissenschaftlicher Paradigmen (Grundvoraussetzungen, Weltbilder) bzw. verkürzter Vorstellungen von Christentum greifen daher zu kurz. Auch Geisteswissenschaften könnten von einem solchen Prozess profitieren, in dem der Mensch wieder zu einem Menschen wird, seine Seele wieder zur Seele, statt zu einer bloßen chemischen Hirnfunktion. 
- Das religiöse Bewusstsein musste sich auf die "Prämissen eines Verfassungsstaates einlassen...". Er verweist darauf, welche Destruktivität sich ohne diesen Schritt im religiösen Bereich ergeben kann. Anmerkung: Diese Anpassung von modernen Christen an freiheitliche Werte ist teilweise auch ein Schritt in Richtung der Ursprünge vor der Verquickung des Christentums mit staatlichen Zwangsinstrumenten seit 325 n.Chr.

Während also christliche bzw. religiöse Kreise sich im Umgang mit weltlichen Einrichtungen meist an deren Sprache anpassten, müssten sich nun nach Habermas die rein weltlich denkenden und sprechenden Kreise im Dialog mit Christen bzw. religiösen Menschen auf deren eigentliches Denken einstellen, statt "das, was einmal gemeint war", bloß zu "eliminieren". Säkulare Mehrheiten dürften in für Gläubige wesentlichen Fragen keine Mehrheitsentscheidungen durchdrücken, ohne ernsthaft geprüft zu haben, was sie selbst von dem Einspruch von dieser Seite lernen können. Anmerkung: Nun denn, sollen in der Tat Naturwissenschaftler, Politiker, usw. sich im Gespräch mit Christen tatsächlich auf das gewisse "Etwas", einstellen, das in Begriffen wie "die Schöpfung bewahren", "Geschöpf", selbst "Mensch" usw. zusätzlich mitschwingt, gegenüber Begriffen wie Kosmos, Biosphäre, Ökologie, Lebewesen, Homo Sapiens... .

Habermas setzt auf eine vermittelnde "dritte Partei" zwischen Religion und Wissenschaft: einen "demokratisch aufgeklärten Common sense" (Gesunder Menschenverstand/ -Vernunft); und dies in einer "post-säkularen Gesellschaft", die sich auf den Fortbestand religiöser Gruppen einstellt. Anmerkung: Das funktioniert bisher z.B. in Deutschland nur wenig, oder nur, insofern zumindest die großen Kirchen mehr oder weniger in Diskussionsprozesse einbezogen werden müssen. In den USA z.B. genießt zwar die religiöse Betätigung der Einzelnen eine größere Achtung; aber die religiösen Werte kommen dafür dort in einer Form in der säkularen Gesellschaft an, dass sie oft kaum als christlich wiederzuerkennen sind.

*) FAZ/ SZ 15.10.2001 oder Internettext;
**) siehe auch unsere Extraseite "Naturwissenschaft und Gottesglaube"

***) Anmerkung: Habermas und weitere philosophische Richtungen:

Jürgen Habermas gehörte neben Theodor W. Adorno und Herbert Marcuse zur "Frankfurter Schule", die mit ihrer "kritischen Theorie" die Studentenbewegung von 1968 erheblich beeinflusste, und damals abgewandelte neomarxistische, aufklärerische und atheistische Denkweisen einbezog. 
Aus einer konservativen philosophischen und theologischen Sicht hat besonders Günter Rohrmoser seit 1969 die Theorie und Praxis der 1968er-Bewegung kritisiert. Er sah deren 'Utopie' als Ersatzreligion (und damit als Konkurrenz zur kirchlichen 'Heilslehre / Eschatologie'), und versuchte dem gegenüber z.B. die alte Lehre des Augustinus von "zwei (gottgewollten) Reichen" - Religion und Staat - zu retten. 
Sowohl Vertreter der Frankfurter Schule als auch deren konservativ-christliche und wirtschaftsliberale Gegner waren und sind teils heute noch groß darin, einseitig alle Argumente aufzulisten, die so gegen die jeweils Anderen zu sprechen scheinen, bzw. die überhaupt die "Gegenseite" fälschlich als einheitlichen Block darstellen. So haben die einen die Chance versäumt, differenziert danach zu suchen, was von der traditionellen Werteordnung erhaltungswürdig ist; und die Anderen versäumten, differenziert darauf hinzuschauen, was an den neuen sozialen Bewegungen jenseits ideologischer Verzerrungen das berechtigte - gegen formalistische Autoritätsgläubigkeit gerichtete - Motiv war. Allerdings haben viele Menschen in Deutschland und anderswo seither einige Fortschritte in dieser Diskussion gemacht, weil sie nicht mehr bereit waren, sich in die alten "Frontlinien" von 1968 hineinpressen zu lassen. In der Forschung ist dieser Fortschritt allerdings noch nicht ausreichend nachvollzogen - da gibt es immer noch Bücher, wo der Gegner für alles Übel in der Welt verantwortlich gemacht wird, und wo das Handeln der Freunde fleckenlos erscheint.

 

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