Die zusätzlichen Seiten des Internetprojekts "Christuswege" zu verschiedenen anderen Religionen sind ein Beitrag zum besseren Verstehen derselben und zum interreligiösen Dialog. Von christlicher Seite werden unabhängige Forschungen zu Grunde gelegt, die die spirituellen Tiefen des Christentums wieder erschließen, und moderne Bewusstseinsforschung. Betr. die alte japanische Shinto-Religion (Kami no michi) wird hier keine umfassende Beschreibung geliefert, sondern einige für diesen Zweck wichtige Gesichtspunkte.
Shinto ist ursprünglich eine der weltweit verwandten Naturreligionen, die älter sind als die bekannten Weltreligionen wie Buddhismus und Christentum.
Naturreligionen.
Die Ursprünge der Naturreligionen liegen in
einer Zeit, als die Menschen weitgehend ein Bewusstsein hatten, das vom heute
dominierenden intellektuellen Bewusstsein stark abweicht. Jean Gebser,
Verfasser des Buches "Ursprung und Gegenwart" (deutsch) würde
diese Bewusstseinsstufe das "mythologische Bewusstsein" nennen. Der
Bewusstseinsforscher Julian Jaynes, Verfasser von "Der Ursprung des
Bewusstseins" (deutsch, englisch) würde dies ein Bewusstsein
nennen, in dem die beiden Hirnhälften noch direkter miteinander kommunizierten
als heute.*) Die rechte Hirnhälfte gestattete es, Erscheinungen aller Art, z.B.
in der Natur ganzheitlich als "Wesen" wahrzunehmen, und die linke
Hirnhälfte konnte dies so verarbeiten, dass der Mensch deren
"Stimmen" hörte. Auch europäische Überlieferungen über
Elementarwesen, Märchenwesen usw. stammen daher, sind also nicht frei erfunden.
Im Zusammenhang mit der zunehmenden Verbreitung des Schreibens und Lesens statt
der nur mündlichen Überlieferung verschwand diese Art der Wahrnehmung in der
europäisch-vorderasiatischen Antike bis ca. 500 vor Chr. weitgehend als
gesellschaftlich relevantes Phänomen. Da in der mythischen Zeit auch vielfach
örtlich bzw. stammesgebundene Wesen, Ahnen oder - Götter verehrt wurden, hat
die Vermischung von Kulturen zusätzlich dazu beigetragen, dass die ältere
Bewusstseinsform nicht mehr oder nicht mehr fehlerfrei funktionierte. Die Fehler
wiederum machten den Nutzen dieser Wahrnehmung immer fragwürdiger und
beschleunigten daher diesen Verfallsprozess.
Es wäre nicht einwandfrei, diese Stufen in der Art zu
bewerten, dass das neuere Verstandesbewusstsein das wertvollere wäre, und dass
Produkte des älteren Bewusstseins heute wertlos wären. Der Verstand brachte
zwar neue Fähigkeiten, aber dafür gingen auch andere verloren, die der
Intellekt allein nicht ersetzen kann. Es ist allerdings möglich, unter
Beibehaltung der Errungenschaft des analytischen Denkens die älteren,
verschütteten Fähigkeiten der bildhaften Zusammenschau und Synthese wieder
bewusst hinzuzuentwickeln; z.B. in der Meditation. So kann ein integriertes
Bewusstsein entstehen, das beiden Hirnhälften in neuer Weise wieder zu ihrem
Recht verhilft. Das rein intellektuelle Bewusstsein ist heute vielfach an die
Grenzen seiner Leistungsfähigkeit gestoßen. Offenbar ist es unmöglich, allein
damit z.B. die ökologischen Probleme in ihrer wirklichen Kompliziertheit
rechtzeitig zu durchschauen und zu lösen: Dörner sprach von einem
"multifaktoriellen Bewusstsein", das zur Erfassung der ökologischen
Vorgänge notwendig ist, das aber seine Studenten bei einer entsprechenden
Untersuchung so gut wie nicht besaßen. Die heutige Menschheit kann sich dabei
durchaus auch von alten Überlieferungen aus vorintellektuellen Wahrnehmungen
anregen lassen - ohne dass sie jedoch die früher Form dieses Bewusstseins
einfach übernehmen könnte. Aus solchen Gründen sind auch heute noch Märchen
für Kinder wertvoll. Sie tragen dazu bei, dass die rechte Hirnhälfte nicht
gleich verkümmert.
Im ursprünglichen Christentum spielten die "Gaben des Heiligen Geistes" eine wichtige Rolle (u.a. Joh. 16; Kor. 12, 7-11; Apostelgeschichte 2, 17-20). S.a. unser Kapitel "Pfingsten" im Haupttext unserer englischen Webseite, sowie in weiteren Sprachen. Der Heilige Geist ist eine göttliche Kraft, die die Kreativität des Menschen über sich selbst hinauswachsen lässt. Sie ist zwar keine bloße Aktivität der rechten Hirnhälfte, aber sie benützt diese in der Tat mit. Aber: der Heilige Geist steht im Zusammenhang mit Jesus Christus. Auch wenn Jesus seinen Jüngern sagte "Der Geist weht, wo er will" - wie will jemand sicher sein, dass seine heutigen Erfahrungen vom Heiligen Geist im Sinne Christi stammen, wenn er sich nicht auf Christus eingestimmt hat?
Shinto.
Shinto bzw. Kami-no-michi heißt "Weg der
(himmlischen bzw. verehrungswürdigen) Geistwesen". Im Unterschied zu dem,
was wir bei anderen scheinbar polytheistischen Religionen fanden - an deren
Ursprung eine einzige Gottheit mit "Eigenschaften" stand, die erst
später als getrennte Götter verehrt wurden - ist hier kein solcher
einheitlicher Ursprung feststellbar.
Während die Schöpfungsmythen einiger anderer Völker mit der
Erschaffung von Himmel und Erde (und Unterwelt) beginnen, setzt der alte
japanische Schöpfungsmythos Himmel und Erde voraus. Die Götter entstehen in
diesem Bild spontan, und bewohnen alle 3 Welten, während die Erde auch von
Menschen, die Unterwelt auch von vielen der Toten, und Dämonen bewohnt ist.
Auch verehrungswürdige Ahnen wurden dem Götterpantheon zugerechnet. An der
Spitze der kami / des riesigen Götterpantheons steht zwar die
"Sonnengöttin" Amaterasu. Aber sie wird nicht als Ursprung von Allem
gesehen, sondern wurde von den Göttern Izanagi und Izanami im Auftrag des
Götterrates erschaffen.
Die Verehrung geschieht zu Hause oder in Schreinen (Tempeln), durch
festgelegte Gebete (Dank und Bitten), und durch Opfern von Reis, Reiswein und
von Symbolen für die normalerweise nicht mehr geopferten Tiere.
Shinto wurde mit einem Staats- bzw. Kaiserkult verbunden, der nach dem 2.
Weltkrieg offiziell fallengelassen werden musste.
Während in Naturreligionen meist Schamanen - Medizinmänner mit
besonderen Kenntnissen und medialen Fähigkeiten - eine zentrale Rolle spielen,
wird der Shinto-Kult von Priestern geleitet.
Ethische Lehren: Es gab ein Sündenregister; es wurden im Kontakt mit
anderen Religionen ethische Grundsätze entwickelt, wie sie sich auch in
praktisch allen großen Religionen finden.
In Japan sind die verschiedenen Religionen nicht in dem Maße getrennt voneinander, wie z.B. aus Europa bekannt. Viele sind dort gleichzeitig in mehreren Religionsgemeinschaften.
*) Engl. "Bicameral
mind". Jaynes selbst erweckte jedoch den Eindruck, als ob diese alten
natürlichen Funktionsweisen des Gehirns allein schon die Erklärung der
Erlebnisse mit göttlichen oder Naturkräften wären; das ist nach unseren
Befunden schlicht falsch. Darüber, was diese Wesen "sind", sagen
seine Befunde gar nichts aus. Weder "Götter" noch Gott sind im Gehirn
zu finden. Es handelt sich um eine Realitätsebene eigener Art, und das Gehirn
kann sie nur in der einen oder anderen Weise interpretieren. Gerade die
beschriebene ältere Art des Wahrnehmens ist nicht ohne weiteres in der Lage,
solche "Wesen" künstlich als Vorstellungsbilder zu produzieren, wie
das moderne Bewusstsein es könnte. In einer ähnlichen Weise spiegeln
spirituelle Träume oder Meditationserlebnisse teils etwas ganz Anderes als
bloße Verarbeitungsprozesse von psychischen Tageserlebnissen.
**) In Europa gehörte z.B. die Zeit der Entstehung der homerischen Epen noch
der mythischen Zeit an, während die spätere Zeit der altgriechischen
Philosophie bereits dem Verstandesbewusstsein angehörte.
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